Kollegen und Widersacher der Mrs. E
Ausstellungsansichten – Diplomausstellung, Akademie d. bild. Künste Wien, Bildhauerateliers
autonome Skulpturen (Sperrholz), Farbe, Sitzmöbel, Pflanze, Plakatdrucke, Broschüre Din A5, 2013
Ausgangspunkt war das zufällige Auffinden von Unterlagen/Aufzeichnungen einer Person, die ich Mrs. E nennen möchte. Ich war auf der Suche nach einer Kartonschachtel bei einer Filiale einer bekannten Supermarktkette als ich unter den Kartonagen eine Sammlung weggeworfener Papiere, Hefte mit Notizen, Kalender mit Eintragungen und Rechnungen fand. Die Unterlagen geben sehr detailreich Auskunft über die Lebensumstände dieser Frau und gewissermassen ist ihr Leben ein Beispiel für ein Leben, wie es gelebt werden kann.Mrs. E ist in der IT-Branche tätig und arbeitet für eine Firma mit dem Schwerpunkt Software zur Prozessoptimierung in Industriebetrieben wie zb. der Papierindustrie. Durch Einsatz unterschiedlicher Analysemethoden wird dabei versucht, Prozesse zu optimieren und so die Effizienz von Abläufen zu steigern. Es geht um Sichtbarmachung von Einsparungspotenzialen durch softwarebasierte Analyse.
Das berufliche hat sich bei ihr sozusagen auch auf das Privatleben ausgewirkt, beispielsweise trägt sie ihre täglichen Ausgaben und sei es nur eine Packung Marlboro-Zigaretten in ihren Kalender ein und ermittelt am Ende der Woche eine Summe daraus, wobei es zwischendrin aber auch immer wieder Leerstellen gibt. Man könnte auch umgekehrt mutmaßen, dass sie für ihren Beruf gut geeignet ist, weil sie sich selbst analysiert bzw. ihre eigenen Gewohnheiten studiert, sich dadurch besser organisiert und versucht eigene Einsparpotenziale aufzuspüren.Mrs. E. ist in besagter Firma in einer Führungsposition und hat ihr privates Geld in das Unternehmen investiert und ist nun Zitat: „mit den Krediten ruiniert“. Ihr Geld fliesst in das Gehalt des leitenden Angestellten, von dem Sie glaubt betrogen zu werden. Dieser beispielsweise hat sehr viele Überstunden, die wie sie herausgefunden hat dadurch zustandegekommen sind, dass dieser seine Mittagspausen nicht von der Arbeitszeit abzieht. Er möchte Urlaub, worauf Mrs. E. ihn daran erinnert, dass man erst die Aufgaben fertigmachen muss und dann auf Urlaub gehen kann.Er hat gesagt: „Endweder Urlaub, oder er kündigt“.Weiters ist sie wegen der Firma in eine andere Stadt gezogen und hat ihren 10-jährigen Sohn aus seinem gewohnten Umfeld „herausgerissen“ wie sie es nennt.Es geht also um Fragen von Existenz – mögliche Lebensentwürfe.Nachdem ihr Auskommen so stark von ihrem beruflichen Erfolg, genauer gesagt vom Erfolg der Firma, in die sie ihr privates Geld investiert hat abhängig ist, verändert sich auch ihr Verhältnis zur Arbeit. Es kommt also zu einer stärkeren Vermischung von Privat- und Arbeitswelt, als das bei einem gewöhnlichen 9 to 5 – Job nicht auch schon der Fall wäre. Hier kann man auch sagen, dass es eine Parallele gibt zu einem Künstlerdasein, bei dem Arbeit und Leben kaum voneinander zu trennen sind.
(Fotos: Claudia Rohrauer)